Entrechtung durch Schutz

Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch
teilt Kritik am „unseligen sogenannten Prostituiertenschutzgesetz“

Der international renommierte Altmeister und Begründer der kritischen Sexualwissenschaft in Deutschland, Prof. em. Volkmar Sigusch, hat in der jüngst erschienenen Ausgabe 3/2022 der „Zeitschrift für Sexualforschung“ die von Doña Carmen e.V. herausgegebene Streitschrift „Entrechtung durch Schutz“ rezensiert (siehe Anhang).

Dabei kommt Sigusch zu dem Schluss:

„Die von Doña Carmen herausgegebene Streitschrift „Entrechtung durch Schutz“ ist die umfangreichste und überzeugendste Kritik an dem unseligen sogenannten Prostituiertenschutz-gesetz.“ (S. 186)

Die Doña-Carmen-Publikation erörtere „sehr ausführlich und auf hohem Niveau die Etappen der Entstehung des sogenannten Prostituiertenschutzgesetzes von 2013 bis 2017 und warum die Kritik an diesem Gesetz nicht in einen erfolgreichen Widerstand mündete.“ (S. 185) „Selbst „kritische Sexualwissenschaftler*innen sind vom Umfang und der Überzeugungskraft der Argumente beeindruckt“, die in der 648-seitigen Streitschrift ausführlich dargelegt werden.

Doña Carmen e.V. fühlt sich durch diese Besprechung und Bewertung sehr geehrt.

Volkmar Sigusch nutzt die Gelegenheit der Rezension, um den Umgang der bürgerlichen Gesellschaft mit Prostitution einer beißenden Kritik zu unterziehen. So geißelt er insbesondere den Umgang mit Prostitutionsmigrantinnen hierzulande:

„Seit Jahrzehnten holen wir sie, benutzen sie, versetzen sie in Angst und Schrecken. Abgrundtief verlogene Politiker hetzten in den letzten Jahrzehnten Hunderte von jungen Männern als Polizisten durch die Bordelle und marschierten selbst fürs Fernsehen mit erigiertem Zeigefinger durchs Milieu. Hätten sie etwas Wirksames gegen Mädchenhandel und Zwangsprostitution machen wollen, hätten sie den illegalen Frauen eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erteilen müssen, ja, sie hätten ihnen sogar eine neue Identität einräumen müssen, um auf diesem Wege, sofern vorhanden, an die drahtziehenden Mädchenhändler heranzukommen.“

Sigusch spricht der Gesellschaft, „in der alles käuflich ist und in der auch tatsächlich alles gekauft wird, was nicht niet- und nagelfest ist“, das Recht ab, ausgerechnet die „käufliche Liebe“ zum Skandal zu machen. „Die Gesellschaft, in der wir leben und arbeiten ist prostitutiver Natur. Zu unserer Lebensweise gehört Prostitution wie das Amen in der Kirche.“

Sigusch darin anklingende Distanz zur Institution Prostitution hat ihn jedoch nie dazu verleitet, Sexarbeiter*innen von der Inanspruchnahme der Grundrechte auszuschließen, wie es die unselige Alice Schwarzer und abolitionistische Prostitutionsgegner*innen mit ihrem „Sexkaufverbot“ als angeblicher Patentlösung präsentieren. Auch für sie dürfte gelten, was Volkmar Sigusch den „kleinbürgerlichen Sexualideolog*innen“ ins Stammbuch schrieb: „Wer so normal gestört ist, der sollte schweigen, wenn es um Anstand und Sitte geht.“

Doña Carmen (Hrsg.)
Entrechtung durch Schutz.
Streitschrift gegen das Prostituiertenschutzgesetz
Frankfurt/Main, DVS 2019, 648 Seiten, ISBN 978-3-932246-95-1, 19,90 €
Erhältlich im Buchhandel, über Doña Carmen e.V. oder über den Verlag DVS (info@dvs-buch.de)

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